Chronologie
1749, 1750, 1771 |
Auf drei verschiedenen Plänen aus dem Staatsarchiv Bern ist die Mühle Dotzigen eingezeichnet |
1789 |
brennt die Mühle ab |
1790 |
Brandsteuerquittungen der Gemeinden Nidau, Erlach, Hagneck, Vinelz und Treiten belegen Beiträge „an den brandgeschädigten Müller“ Die noch heute bestehende Mühle an der Strasse nach Büetigen wurde 1790 erbaut. |
1894 |
Regierungsrat erteilt Konzession an den Müller Niklaus Hügli (Brief vom 26.11.1926 des Kreisoberingenieurs an Emil Schär) |
1894 bis 1903 |
Urs Leisi, geb. 1851, Burger von Attiswil/BE, ist Pächter der Mühle. Er lernte Müller in Oberweningen/ZH. 1903 zog er weiter mit Hab und Gut nach Oberembrach/ZH, wo er einen grossen Hof hatte. Zusammen mit seiner Frau Anna Maria Ritter hatten sie 7 Kinder. (Hans Leisi, Sackkalender 1909) |
1894 |
war die Mühle noch mit Stroh gedeckt; auf Drängen des Pächters Urs Leisi wurde sie mit Schindeln gedeckt (Hans Leisi, Sackkalender 1909) |
13.1.1909 |
Regierungsratsbeschluss: Bewilligung zur Nutzung des Eichibachs an Niklaus Hügli, Müller in Dotzigen; Bestätigung der Konzession von 1894(Protokoll RRB vom 7.3.1928) |
1912 |
Emil Schär – Stämpfli sen. übernimmt die Mühle. Sein Sohn Emil Schär jun. verheiratet sich mit Heidi Schär; ihre Tochter ist Christine Schär, die sich mit Bernhard Niklaus verheiratet. (Bildlegenden Fotoalbum und Auskunft Christine) |
28.3.1918 |
Frau Elisabeth Rüfenacht – Knuchel, Witwe des Benedichts Rüfenacht verkauft gemäss Testament vom 21.12.17 an ihren Sohn Fritz Rüfenacht die Mühle, das Stöckli, den Wagenschopf sowie 13 Parzellen Land in Dotzigen und Diessbach zum Preis von total Fr. 33'000.—(Original Kaufvertrag) |
24.11.1926 |
Beanstandung der Wehranlage durch den Kreisoberingenieur (Brief) |
15.2.1927 |
Gesuch von Emil Schär sen. zur Erteilung einer Konzession |
7.3.1928 |
Neue Konzession an Emil Schär sen. (Original) |
1968 |
Mühle wird stillgelegt |
1974 |
Emil Schär jun. verunfallt und stirbt |
5.1.1974 |
Emil Schär sen. Beantragt die Löschung der Konzession |
19.3.1974 |
Löschung der Konzession |
1980 |
Emil Schär sen. stirbt |
1982 |
Christine Niklaus-Schär, Erbin, verkauft die Mühle ihres Grossvaters an Gabriel Gfeller und zieht mit ihrer Mutter an den Niesenweg in Dotzigen |
1989 |
Peter und Barbara Gysi übernehmen die Liegenschaft und
realisieren umfassende Innenrenovationen. |
1998 |
Annelies Peter und Christoph Hüsser kaufen die Liegenschaft und führen das Sozialprojekt "Arbeits- und Lebensgemeinschaft (ALG) alte Mühle", in der geistig behinderte Erwachsene (IV-Bezüger) und nicht behinderte Erwachsene zusammen leben und arbeiten. |
Die Geschichte der Mühle im Detail
Die heutige Mühle an der Strasse nach Büetigen wurde als typische Hochstudkonstruktion mit mächtigem Walmdach 1790 erbaut. Die erste schriftliche Erwähnung der Mühle Dotzigen stammt aus dem Jahr 1749. Damals wurde der „Grundriss und Vorstellung der Landstrass im Ambt Büren, von dem Landmarchstein under Leützigen … bis zum Marchstein im Wald … Büettigen Einung …“ erstellt, auf der die Mühle Dotzigen und der Mühlibach eingezeichnet sind. Die Karte ist im Staatsarchiv Bern einzusehen. Aus dem Jahr 1750 liegt von Anton Renner eine zweite Karte vor, die ebenfalls im Staatsarchiv Bern erhalten ist, die den „Geometrischen Ryss über die Strass von Dotzigen … biss zu der Brugg Arberg“ (1:3’700) zeigt, auf der die Mühle Dotzigen ebenfalls eingezeichnet ist. Ein dritter Plan des Staatsarchiv stammt aus dem Jahr 1771 und zeigt die Mühle an der Strasse Bern – Büren „Strecke vom Bürenwald über Frauchwil – Wierezwil – Schwanden – Schüpberg – Kirchlindach bis Aarbergstrasse, 1:10'000.
Gesichert ist, dass der Vorgängerbau um 1789 abbrannte, wie einer Gampeler Brandsteuerquittung vom 8. Januar 1791 entnommen werden kann. Die Gampeler steuerten damals einen Beitrag zum Wiederaufbau des Gebäudes bei, das ein sehr bemerkenswertes Konstruktionsschema aufweist. Das Grundmass des Baus entspricht genau einer Fläche von 100 Fuss Länge und 50 Fuss Breite, das der Fassade von 90 auf 40 Fuss (à ca. 29,25 cm). Auch die Unterteilung in Ökonomieteil (Kuhstall, Futtertenn, Rossstall), Dreschtenn, Wohnteil und Mühle entspricht dem Fussmass.
Die Denkmalpflege hat den kulturellen Wert der Mühle als schützenswert eingestuft. Die Mühleeinrichtungen sind fast vollständig erhalten geblieben und zeigen die Technik der Kraftübertragung und die drei Mahlgängen in seltener Komplettheit. Grund Genug für die Denkmalpflege, den Mühlenteil als von nationalem Interesse einzustufen. Wohn- und Ökonomieteil wurden in den Jahren 1991 – 1993 umgebaut und saniert. Der Umbau gilt als gelungenes Beispiel für die Kombination zwischen dem Erhalt von alten Elementen und modern gestalteten Eingriffen.
1968 wurde der Betrieb endgültig eingestellt. Im Unter- und Erdgeschoss ist der Mühlenstuhl mit einem Röllgang und zwei Mahlgängen sowie den zum Antrieb notwendigen Getrieben erhalten. Die hölzernen Einrichtungen stammen vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurden noch einige zusätzliche Maschinen eingebaut, ohne die alten Einrichtungen gross zu tangieren. Im Obergeschoss wurde eine Fruchtputzerei mit einem Elevator zur Beförderung des Getreides eingebaut, sowie im integrierten Speicher die dazu notwendigen Transmissionswellen. 1940 wurde noch ein kleiner Walzenstuhl (Mahlautomat MCK der Firma Bühler, Uzwil) für die Produktion von Semmelmehl installiert. Die Vollständigkeit der hölzernen Einrichtungen aus dem 19. Jahrhundert ist in diesem recht guten Zustand wahrscheinlich einmalig in der Schweiz.
Das eiserne Wasserrad mit einem Durchmesser von 3.76 m, einer Breite von 1.20 m und 30 Blechschaufeln ist vollständig erhalten und nach einer Revision wieder funktionsfähig. Der Obwasserkanal mündet westlich der Strasse in einen Känel aus grossen Solothurner Kalksteinen und innerhalb des Radhauses auf einen Holzkänel mit einer Klappe für den Einlauf des Wassers auf das Rad. Die Konzession wurde 1974 gelöscht.
Für die Sanierung besteht ein öffentliches Interesse um dieses kultur- und technikgeschichtliche Denkmal der Jugend und der Bevölkerung zu erhalten. Damit können frühere Arbeitsweisen und Techniken demonstriert werden. 2001 wurde der Mühleverein Dotzigen gegründet mit dem Ziel, eine möglichst breite Trägerschaft sowohl für die Restaurierung, die Finanzierung wie auch für den Betrieb zu schaffen. Ein grosser Teil der Arbeiten musste durch die Eigentümer und interessierte Helfer geleistet. Dadurch konnten auch die Funktion und die Technik der Anlage erlernt werden und die Unterhaltsarbeiten können selber ausgeführt werden. Heute drehen sich das Wasserrad und die Mühlesteine wieder und es kann Mehl gemahlen werden. Wir wollen die Mühle nicht nur für die denkmalschützerische Konservierung erhalten, sondern sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen für den Gebrauch in der Gegenwart: zwei Ziele, die sich ergänzen und ein lebendiges Zeichen setzen für eine gelebte Vergangenheit. Ein neues, zweites Leben, diesmal nicht als wichtige dörfliche Infrastruktur für die Bauern und die Bevölkerung, sondern ein gängig machen der alten Technik als lebendiges Museum.
Seit 1999 bietet die Arbeits- und Lebensgemeinschaft (ALG) in der Mühle fünf geistig behinderten Erwachsenen (IV BezügerInnen) eine Betreuung, Beschäftigung und sinnvolle Gestaltung ihres Lebens an. Es sind Menschen, die nach ihrer Schulzeit keine IV-Anlehre machen und aufgrund ihrer Behinderung nicht in einer geschützten Werkstätte arbeiten können. In der ALG können sich die vorhandenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten entwickeln und die Kräfte dazu aktiviert werden. So haben die jungen Männer/Frauen auch bei der Renovation der Mühle aktiv mitgeholfen und unterstützen als Mitglieder die Vereinsaktivitäten.
Zum Schluss möchten wir es nicht unterlassen, den „Geist“ des Hauses vorzustellen und ihn kennenzulernen, wie er im Hausspruch, angebracht oberhalb der Haustüre der alten Mühle (Ostseite), zum Ausdruck kommt:
Links:
O Gott durch deine Gütte, erhalt Haus und gebäu
dein Segen und dein Gütte werde alle Morgen Neu
Vatter Mutter und Kinder wie auch Verwantte sein
Lasse nicht desto Minder von dir Gesegnet sein
Rechts:
Heut dich Fluch nicht In meinen Haufs
oder gehe Bald zur Tühr hinaus, es möcht
sonst Gott, vom Himmelreich Straffen
mich und dich zugleich